Fifty Shades of Rape Culture
Schmierkampagnen, Outcalls und toxische einflussreiche Männer: Durch den Dezember mit El Hotzo, Thilo Mischke, Justin Baldoni und dem Zauber von Oz.
Bevor dieses Jahr zu Ende gehen konnte, hat es nochmals alles rausgeholt, was es an Patriarchat an Lager hatte. Ich war ausserdem mal wieder krank und habe mir gelangweilt im Bett ungefiltert alles reingezogen, was sich da noch entladen hat. Deshalb gibt es hier mal wieder ein kleiner News-Flash, Fokus Rape Culture, und dieses Mal ausnahmsweise tatsächlich als Listicle. Call it ein kleines Weihnachtswunder!
1. Der toxic Gonzo Journalismus ist leider doch nicht tot
Arte hat eine Doku über Vice gemacht. Ich fand das Meiste in der Doku klang schon mal sau toxisch, angefangen beim Gründer von Vice, der einfach mal kurz zum Spass die Proud Boys gegründet hat, aber auch sonst so einiges. In der Gonzo-Ecke hat es ja Tradition ein toxisches Arschloch zu sein. Der #metoo Teil in der letzten Episode war mir dann auch fast etwas zu kurz, dafür was für ein machoider Vibe am Start war. Ich suchte jedenfalls während dem Schauen mehrfach im Internet nach Spuren von sexualisierter Gewalt, wenn wieder irgendein Typ auftauchte, der den grossen Gonzo Helden raushängen liess. Eine Person, die im Film viel über Vice Deutschland erzählen durfte, war Thilo Mischke. Thilo Mischke musste ich gar nicht erst googeln, denn als ich die Doku schaute, war der Name sowieso gerade auf allen Timelines. Kurz vor Weihnachten wurde er nämlich als Moderator von «Titel Thesen Temperamente» angekündigt, einer der wichtigsten deutschsprachigen Feuilletonsendungen, die für differenzierte und gesellschaftskritische Inhalte bekannt ist. Nun baut Thilo Mischkes gesamte Karriere jedoch auf frauenverachtendem, rassistischem Müll auf, darunter ein Buch namens «In 80 Frauen um die Welt» und extrem problematische Aussagen zum Thema Vergewaltigung. Es ist also fünf vor 2025 und misogyne Medienmänner bekommen immer noch die geilsten Jobs, ugh. Umso mehr war die Podcastfolge von Feminist Shelf Control zu Mischke eine Wohltat, da werden nämlich in zwei Stunden verschiedenste Aspekte der Rape Culture sehr gründlich auseinandergenommen – produziert mit einer Menge an (kollektiver) Gratisarbeit, die safe dem Wert eines Monatslohns eines misogynen Moderators entspricht.
2. El Hotzo hat sich selbst als Gaslighter outgecalled
Ein anderer toxischer Medienmann hat sich ausnahmsweise selbst outgecalled, nämlich El Hotzo, der inzwischen mit 1.4 Millionen Instafollower einer der reichweitenstärksten linken Stimmen im deutschsprachigen Raum ist. Als vor zwei Wochen ein paar vage Vorwürfe zu kursieren begannen, hat El Hotzo folgendes Statement auf Bluesky und Twitter gepostet:
«(…) Ich habe gelovebombt, gegaslighted, manipuliert und von Exklusivität gesprochen, Frauen hingehalten und Beziehungen verheimlicht, um nicht aufzufliegen. Ich habe dabei meine Position und mein Image als reflektierter Medienmann ausgenutzt und viele Menschen damit sehr verletzt. Es gibt für das, was ich getan habe, keine Ausrede. Ich bin ein erwachsener Mensch und bin für mein Handeln selbst verantwortlich. Bei allen Menschen, denen ich wehgetan habe, möchte ich mich aus ganzem Herzen entschuldigen. (…)»
Nach den vielen unterirdischen Statements, die es von Abusern und Enablern zu lesen gab, fand ich dieses nun eigentlich ganz okay. Es tat jedenfalls das, was es in erster Linie tun sollte: Den Erfahrungen von betroffenen Personen Gewicht geben und deren Wahrnehmung bestätigen. Auch auf das Statement folgend hat El Hotzo das in dieser Situation einzige Richtige getan, nämlich die Klappe gehalten. Vielleicht hatte auch er bei einer gewissen Shitstorm Agentur in Berlin angerufen, die vor kurzem bereits die Indie-Band Jeremias erfolgreich aus dem Dreck gezogen hatte, darum ging es ja bereits in meinem letzten Beitrag. Inzwischen sind Jeremias nach einem gemeinsam mit der Agentur «Same but Different» erarbeiteten Statement und einer darauffolgenden kurzen Auszeit wieder zurück und lassen sich dafür feiern, dass sie jetzt ein Awarenesskonzept für ihre Konzerte haben. Ich bin zwar immer noch der Meinung, dass Boybands ausgestorben gehören, aber I guess lieber ein Awarenesskonzept als gar nichts…
3. Hollywoods Vorzeigefeminist Justin Baldoni ist abusive scum
Wer sich ebenfalls ein geiles Krisenmanagement gegönnt hat, war Justin Baldoni, wie die New York Times berichtete. Baldoni hat Bücher über kritische Männlichkeit geschrieben und Auszeichnungen für sein feministisches Engagement erhalten. Bei «It ends with us», einem Film über häusliche Gewalt, der vor ein paar Monaten erschienen ist, hat er Regie geführt und die männliche Hauptrolle gespielt. Die weibliche Hauptrolle spielte «Gossip Girl»-Star Blake Lively. Lively hat nun kurz vor Weihnachten eine Klage gegen Baldoni eingerreicht. Er habe sich während des Drehs übergriffig verhalten und nach dem Erscheinen des Films mit Hilfe der PR-Agentin und Krisenmanagerin Melissa Nathan eine Schmierkampagne gegen sie geführt. Nathan war 2022 bereits für Johnny Depp tätig gewesen und dementsprechend wohl direkt an der extrem misogynen Kampagne gegen Amber Heard beteiligt gewesen. Sie scheint jedenfalls erfolgreich zu sein, in dem was sie tut, Victim Blaming gegenüber Amber Heard wurde schliesslich bis in die feministische Linke zur akzeptierten Position. Ich selbst hatte von «It ends with us» tatsächlich auch nur mitgekriegt, dass Blake Lively sich auf ihrer Promo-Tour als arrogant und asozial verhalten habe. Ich hatte mir damals keine weiteren Gedanken gemacht, aber rückblickend ist es natürlich sehr obvious, dass da frauenverachtende Kräfte wirkten. Misogyne Schmierkampagnen sind halt auch einfach ziemlich easy, die Rape Culture durchdringt alles, man muss nur den richtigen Mythos ausgraben und befeuern, dann arbeitet das Patriarchat ganz von alleine.
4. Der Zauberer von Oz ist ein creepy Groomer
Eine erfolgreichere Promo-Tour hingegen hatten Ariana Grande und Cynthia Erivo. Die beiden «Wicked»-Stars fielen durch ihre quirky Sentimentalität und ihre enge Freundschaft auf, während den Interviews flossen regelmässig Tränen. «Wicked» schien nicht nur deswegen Kultpotential auf «Barbie»-Niveau zu haben, und weil ich eine Hoe bin für genau solche Popkultur-Momente, habe ich mir den Film gleich zweimal angeschaut. Im Gegensatz zu Greta Gerwigs «Barbie» ist John M. Chus «Wicked» definitiv diverser und intersektionaler – weshalb der Erfolg des Films wohl dann doch nicht mit Barbie vergleichbar war. White Pop-Feminismus, für den marginalisierte Positionen selten mehr als ironische Tokens sind, verkauft sich dann halt doch besser.
«Wicked» gab mir jedenfalls starke queer polycule vibes. Die Beziehung zwischen Elphaba (Cynthia Erivo) und Glinda (Ariana Grande) habe ich definitiv als romantisch gelesen, ihre anfängliche Abneigung war ebenso leidenschaftlich, wie die darauffolgende Freundschaft. Beide stehen in some kind of romantischer Beziehung zum cunty bi-coded Prinz Fiyero (Jonathan Bailey), aber als der Moment kommt, in dem üblicherweise Eifersucht und Feindschaft zwischen den beiden Frauen erzählt würde, wird stattdessen die Freundschaft der beiden weiterentwickelt und der cunty Prinz taucht den Rest des Films nicht mehr auf.
Neben den Beziehungen innerhalb dieses Polycules wird auch eine Textbook Grooming Geschichte erzählt: Die jugendliche Aussenseiterin Elphaba hat einen durch Macht und Einfluss geprägten Crush auf den Zauberer, der sie mithilfe ihrer Mentorin Madame Morrible, die sie am Shiz College in Hexerei unterrichtet, nach Oz lockt, um für seine faschistischen Pläne ihre Kräfte auszunutzen.
5. Die Hochschule Luzern schützt mutmasslichen Täter
Neben Shiz ist auch eine andere Hochschule negativ aufgefallen: Die Hochschule Luzern. Jener linke Journalist, der letztes Jahr aufgrund schwerwiegender Vorwürfe sexualisierter Gewalt bei der Republik entlassen wurde, hat sich anscheinend für einen Karrierewechsel entschieden und studiert nun an der HSLU Soziale Arbeit. Bereits seit Anfang Semester wandten sich diesbezüglich verschiedene Personen mit Bedenken und Nachfragen an die Institution. Diese wurde jedoch erst dann richtig aktiv, als die KRISO (Kritische Soziale Arbeit) Bern eine Mail an alle Studierenden und Angestellten des Studiengangs geschickt hatte. In der Mail wurde über die Situation informiert, sowie erläutert, wie unverantwortlich es ist, jemandem der mutmasslich Machtmissbrauch ausgeübt hat, in einem Fach, das von Machtgefällen geprägt ist, zuzulassen:
«(…) Laut Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz hat die Soziale Arbeit unter anderem als Ziel, Lösungen für Soziale Probleme zu entwickeln und zu vermitteln. Ebenfalls ist dem Berufskodex zu entnehmen, dass die Sozial Arbeit auch ein politisches Mandat hat und sich für gesellschaftliche und sozialpolitische Veränderungen einsetzen soll. Als Sozialarbeiter*innen arbeiten wir mit den vulnerabelsten Menschengruppen zusammen. Wir stehen, ob wir das wollen oder nicht, in einem Machtverhältnis zu unseren Klient*innen. Dies erfordert von uns einen äusserst sorgfältigen und reflektierten Umgang mit ebendiesen Machtverhältnissen. (…)»
Anstatt diese Bedenken ernst zu nehmen, gab die HSLU an, rechtliche Schritte gegen die Absender*innen der Mail zu prüfen, richtete eine Taskforce ein, um die Situation zu beruhigen und beteuerte, den Persönlichkeitsschutz aller Angehörigen der Hochschule wahren zu wollen – womit klar der Persönlichkeitsschutz des mutmasslichen Täters gemeint war. Während also Betroffene in diesem Land von dem, was als Persönlichkeitsrecht gilt, nur träumen können und an jeder Hochschule strukturelle und institutionelle Gewalt an der Tagesordnung ist, setzt man sich mit einem riesigen Aufwand an Ressourcen für den Schutz einer Person ein, nach allen journalistischen Standards geprüft, mehrfach Gewalt und Machtmissbrauch vorgeworfen wird. Es scheint fast so, als wären die Massstäbe anders, wenn es um einen erfolgreichen weissen cis Mann mit ungefähr drei Anwälten im Rücken geht. Nach der vollen Ladung Patriarchat dieses Jahr, vermag das aber irgendwie auch nicht mehr gross zu überraschen…
TLDR: Die scheiss Rape Culture kann mich mal
Ich würde ja zum Schluss gerne ein paar Vorsätze oder motivierende Kalendersprüche platzieren, aber wir alle wissen, dass es nächstes Jahr genauso weitergehen wird, wie bisher: Rape Culture soweit das Auge reicht. Aber davon lasse ich mich natürlich nicht runterkriegen und sowieso wird 2025 mein grosses Comeback-Jahr, vielleicht sogar das geile Geld Jahr, wer weiss?? Anfang Jahr kommt mit CAPSLOCK SUPERSTAR ZWEI nach dem Pandemie-Album MEGAMIX das zweite CAPSLOCK SUPERSTAR Album. Eine erste Single erscheint bereits am 2. Januar, es ist ein Song namens «Helvetia», der gemeinsam mit dem Schlager-Duo ENL entstanden ist. (Es geht um die Schweiz und ums Ficken.) Den Albumrelease feiern wir dann im Februar mit zwei Shows, am 14. im KAFF in Frauenfeld und am 15. im HUMBUG in Basel.
Ausserdem im Januar: Vom 17. bis am 19. stelle ich ein weiteres Mal meine Recherche zu Gewalt und Trauma als Installation im Rahmen der von Cornelia Pierstorff kuratierten Wild Card «Sexualisierter Gewalt lesen» im Strauhof in Zürich aus. Und neben alldem werde ich in den kommenden Monaten endlich mein scheiss Buch Gasbert fertig schreiben. TLDR: Die scheiss Rape Culture kann mich mal.
Das klingt alles sehr interessant, ganz spannende Verbindungen werden gezogen zwischen einzelnen Höhepunkten patriarchaler Unterdrückungskultur - aber die Dutzenden entweder sehr anspruchsvollen oder komplett falsch gesetzten Anglizismen lassen den Text für Menschen ausserhalb einer wohl sehr winzigen Blase beinahe unlesbar werden. Es klingt wirklich wie eine Parodie von sich selber, wenn jedes dritte Wort komplett unnötigerweise englisch ist (und die meist grammatikalisch oder semantisch falsch). Schade.