Zehn Gründe warum links sein keine Gewaltprävention ist
Nummer fünf wird dich echt überraschen. Ausserdem: Die sieben most silly Trauma-Trigger und weitere Funfacts aus einem ganz normalen traumabelasteten Life.
Das Lustigste was letzte Woche passierte, war, dass die WOZ festgestellt hat, dass links sein alleine keine Gewaltprävention ist. Ich lese die WOZ ja schon länger nicht mehr. Sie triggert mich. Das Blut rauscht dann plötzlich schneller durch meine Adern, meine Gedanken geraten durcheinander und es beginnt sich, abhängig von der Tagesform, entweder Wut oder ein lähmendes Gefühl von Wertlosigkeit in mir auszubreiten. Es gibt nicht mehr viel, was mich noch triggert. Züri West, Peperoncini, Sandstein, Männerfussball, die einzige linke Wochenzeitung der Schweiz. Was kinda silly klingt, ist ein ganz normales traumabelastetes Life.
Es fühlt sich irgendwie ziemlich doof an, diese Geschichte immer und immer wieder zu erzählen. Sie liegt ja schon so lange zurück. I should be over it by now, shouldn’t I? Aber ich habe das Bedürfnis zu erzählen, bis ich gehört werde. Bis mir glaubhaft bestätigt wird, dass was ich erlebt habe, wirklich nicht cool ist. Bis ich irgendeine Form von moralischer Entschädigung dafür erfahre, dass ich krank gemacht wurde, einfach weil einer nicht ertragen konnte, dass eine Frau erfolgreicher schreibt als er. Einer, der einmal zu mir sagte, er brauche sich nur seinen Penis abschneiden, dann sei er auch so erfolgreich wie ich und mich später an jenem Tag beinahe erschlagen hätte. Einer der heute regelmässig bei der WOZ schreibt. Deshalb triggert sie mich und deshalb fasse ich sie lieber gar nicht mehr an.
Diese Art von Gewalt ist nach wie vor das Normalste der Welt. Deshalb waren ja auch alles so erschüttert, als letzten Sommer publik wurde, dass ein damaliger Republik- und ehemaliger WOZ-Journalist mit zum Teil schwerwiegenden traumatisierenden Folgen MUTMASSLICH seriell und über Jahre Frauen sexuell belästigte. Ich hatte nämlich den Eindruck, dass die Erschütterung nicht von der MUTMASSLICHEN Gewalt an sich kam, sondern viel mehr davon, dass sie nach all der Zeit für einmal nicht mehr als Normalität akzeptiert wurde. Ein System, das immer einwandfrei funktioniert hatte, begann zu bröckeln. Daran geändert, dass die Gewalt das Normalste der Welt ist, hat sich seither aber denkbar wenig. Sie ist es nach wie vor, nicht zuletzt auch in linken, basisdemokratisch organisierten Strukturen. Abusive linke Journalisten haben sogar fast schon Tradition. Zum Beispiel Meienberg, der schrieb ja auch für die WOZ. Nach seinem Tod erschien ein vierhundertseitiges Buch darüber, wie er seine heimliche Geliebte über Jahre sexuell und emotional ausgenutzt hatte. Die Schweizer Öffentlichkeit nahm das nicht gerade gut auf und nachdem das Buch erschienen war, musste die Autorin Aline Graf erst mal für eine Weile das Land verlassen. Meienberg jedoch blieb ein Vorbild für angehende Journalisten.
WHATEVER. Ich brauche die Medienbranche eh nicht mehr, ich hab ja jetzt einen eigenen Lifestyle-Blog. Und eine eigene Wohnung habe ich auch, which makes me anyways komplett tiefenentspannt, da gehen mir diese Dinge nicht mehr so nah. Dann lese ich die WOZ halt nicht. Lieber lese ich die Britney Spears Biografie oder sonst was. Mein Schmerz ist ohnehin marginal geworden mit der Zeit. Eine mühsame kleine Nebensächlichkeit in meinem tiefenentspannten, erwachsenen Life. Inzwischen leide ich mehr darunter, dass fast keine meiner Peers mit dem Doctor-Who-Universum vertraut sind, als unter der überlebten Gewalt. Und sowieso gibt es bei mir zuhause noch genug andere Baustellen: Innendesign!
Der Kirschholztisch meiner Urgrossmutter, für den mein Ururgrossvater eigens einen Kirschbaum fällte, um einen Tisch für die Aussteuer seiner Tochter schreinern zu lassen, den sie dann aber zurück liess, als sie eines Tages mit der Hälfte ihrer Kinder bei Nacht und Nebel nach New York abhaute, wodurch dieser Tisch dann ungefähr hundert Jahre später irgendwie bei mir landete und nun in meiner neuen Wohnung am Fenster steht, dieser Tisch ist also sehr alt und dementsprechend relativ tief. Damals am Rand des Toggenburgs war wohl alles etwas kleiner; die Häuser, die Menschen, die Möbel. Dass dieser Tisch nun so tief ist, macht es ziemlich schwierig einen Stuhl zu finden, der von der Grösse her passt, mit dem zum Beispiel meine Beine unter dem Brett in dem die Schublade sitzen würde, wenn es sie noch gäbe, Platz finden. Ich habe hunderte Stühle studiert; im Internet, bei Ikea, auf Ricardo und Tutti. Ich dachte schon, der perfekte Stuhl existiert nicht, bis ich den hier fand:
Aber lets be honest, der Stuhl schaut sau unbequem aus und ich bin zu pragmatisch, als dass ich mir das antun würde. Auch wenn er literally ich ist, wenn ich ein Stuhl wäre, so vom Vibe her. Ich fand dann auf einem spätabendlichen Spaziergang durch das Quartier am Strassenrand einen very basic und underwhelming Stuhl und nahm ihn mit in meine Wohnung. Das muss jetzt halt reichen und der ganze Designer-Bullshit ist eh Müll. Der interessiert mich nur, um neue identitätsbildende Eigenschaften auszuprobieren. Ich muss da ja bisschen was nachholen, habe ich doch in den vergangenen zehn Jahren in Bezug auf Selbstfindung ein paar ziemlich weirde Extrarunden gedreht. Nicht dass ich irgendwas davon bereuen würde, aber ich bin froh, nicht mehr dort, sondern hier zu sein. Jetzt kommt nämlich die richtig aufregende Etappe meiner Healing Journey. Y’all are not prepared. And neither am I.
P.s.: Mein Leserbrief an die Republik als Reaktion auf das unterirdische Tagi-Interview mit Verwaltungspräsident Michel Huissoud von letztem Herbst ist nun auch hier auf meinem Substack nachzulesen. It’s all about trauma theory and moral repair, bitches!
P.p.s.: Ebenfalls die Tage erschienen ist dieser absolute Banger Text von Mia beim Lamm. «Das Jammern der Täter» ist imo aktuell das Tighteste was es zu diesem Thema zu lesen gibt. Mia hat übrigens letzten September bereits beim Saiten zu diesem Thema geschrieben. Der Text ist auch nach wie vor sehr lesenswert ist.