Nie wieder Fondue!!
Käsepropaganda, Demokratiegelaber, Standortmarketing – und dann doch noch ein Glitch im System am Eurovision Songcontest 2025. Ein Rückblick.
Nachdem ich so aufgeregt war wegen der Shitshow, die der Eurovision Songcontest 2025 in Basel zu werden versprach, war ich dann doch eher enttäuscht. Die Schweiz hatte es natürlich hingekriegt, sämtliche politischen Spannungen mit einem Haufen Demokratiegelaber und Käsepropaganda zu verstecken – ich kann nie wieder ein fucking Fondue nur schon anschauen. Auf dem Bildschirm hat man beim Finale jedenfalls zero Reibung mitgekriegt, keine Buhrufe, keine unerwünschten Flaggen jeglicher Art, keine Solidaritätsbekundungen, keine Statements, nichts.
Dafür hat Hazel Brugger, ehemals «böseste Frau der Schweiz», perfekt die Linie balanciert von ein bisschen frech sein ohne jemals irgendeine Grenze zu überschreiten. Schweiz-Satire? More like Schweiz-Standortmarketing. Niemand hat so viel Übung in «Neutralität» und «Demokratie», also darin, Fassaden aufrecht zu erhalten, wie dieses Land, nichts ist so unumstösslich wie das Selbstbild der Schweiz: Fondue (🤢) und glückliche Menschen in alpiner Idylle, die was mit den Händen machen (Käse, Uhren, Schokolade, jassen). Zeitgleich zur Liveübertragung dieses Werbe-Events wurden ein paar Strassen weiter hunderte Demonstrierende für bis zu sieben Stunden von der Polizei eingekesselt. Und genau das, diese Gleichzeitigkeit, ist so Schweiz, wie es nur sein kann.
Vor dem Bildschirm jedoch gab es keine sichtbare Störung, keinen wahrnehmbaren Funken Subversion in dieser perfekt geölten Maschinerie des Spektakels – bis zu Nemos zweitem Auftritt kurz vor Schluss. Nemo präsentierte their neuen Song «Unexplainable» und riss mit einer umwerfenden Performance die Geschlechterverhältnisse für vier Minuten kompromisslos auseinander. Nemo stand nicht mehr als baby queer mit cuter Plüschjacke und wenn auch komplexem, so doch sehr uplifting Song auf einer der grössten Bühne der Welt, sondern als eine erwachsene, transfeminine Person, mit allem Schmerz und aller Zerrissenheit, die der Prozess eines Coming-outs und der Existenz als queere Person in der Welt und besonders in dieser Zeit mit sich bringt. Wenig überraschend war dementsprechend der ungehemmte queerfeindliche und transmisogyne Hass, der auf die Performance folgte.
Einer der harmloseren Kommentare, der immer wieder auftauchte, war: Das ist doch keine Unterhaltung mehr, das ist doch Kunst und für Kunst schauen wir den ESC nicht, wir wollen Unterhaltung! Suprise: Wo Musik ist, ist Kunst und wo Kunst ist, da ist auch Subversion und Störung, egal wie mächtig die Unterhaltungsmaschine rundherum ist. Da kann sich die EBU oder die Schweiz oder wer auch immer noch so bemühen, das zu verhindern. Es wird immer disruptive Momente geben und umso mehr versucht wird, diese zu unterdrücken, desto heftiger brechen sie aus. Aber Nemos Performance war am Ende doch nur als Glitch Teil dieses Systems, das keine Abweichungen vorsieht. So ist der ESC zwar auch durchaus ein queerer Anlass, aber einer, der in erster Linie von schwulen cis Männern dominiert wird. Genderqueere Identitäten sind nach wie vor die Ausnahme, bei den Teilnehmenden ebenso wie beim Publikum, wie ich nach einem kurzen Ausflug hinter die Bar einer der offiziellen Eurovision-Locations bestätigen kann. Und von wegen Queerness und so: Bei dieser Location gab es vor den Toiletten eine Person, die definitiv nicht zu Genderqueerness gebrieft war und welche die Leute zur «richtigen» der beiden Toilette wies. Assigned Gender at Eurovision!
Und das wars auch schon mit diesem Spektakel in der Schweiz. Nächstes Jahr dann dasselbe in Österreich, einfach etwas anders, aber die Alpenpropaganda will go strong as ever. Ich freu mich jedenfalls jetzt schon auf den Clash von Opernballvibes und Eurovisionglitter – und natürlich auf den einen oder anderen Glitch, der durch die glänzende Fassade bricht.
Apropos Gender: Den Genderglossar, den ich vor einiger Zeit hier veröffentlicht habe, gibt es nun auch gedruckt als Zine. Ergänzt mit Memes von mia.7zip. Wer also also gerne was Analoges haben und uns für unsere Aufkärungsarbeit bezahlen möchte (I mean es ist immerhin pride month!), der*die kann über Bandcamp ein Exemplar bestellen.
Und speaking of Printprodukt…… MEIN SCHEISS BUCH GASBERT IST BALD DA?? Hier kann man die Vorschau sehen und das Ding vorbestellen. Es erscheint im August bei lectorbooks unter dem Titel «Gaslicht». Wer mich mit diesem traurig-edgy #MeToo-Roman auf eine Bühne oder sonst wohin buchen möchte, kann bei mental load agency reinsliden. Einen kleinen Sneak Peak in den Text gibt es am 13. Juni im Rathaus für Kultur Lichtensteig mit Claude Bühler.
Auch mit CAPSLOCK SUPERSTAR steht noch der eine oder andere fun Gig bevor, z.B. am 4. Juli bei Finta*tainment (Zürich), am 25. Juli im Horst Klub (Kreuzlingen) und am 26. Juli am Sponti Trash Fest (Willisau). Uns kann man auch nach wie vor buchen via capslocksuperstar@capslocksuperstar.eu. Für einen Aufpreis beleidigen wir ~wichtige Szenepersönlichkeiten~ oder kritisieren eure Kurationspraxis live on stage – natürlich auf Autotune.
Und am 1. August gibt es dann noch richtige Schweiz-Satire, also solche ohne Fondue und Propaganda, dafür mit Reden, Drag und Alphörnern: Mit X Schneeberger, Bartli von Glitzer, Nora Osagiobare und mir bei HUMBOOKS in Basel.